Vor 100 Jahren waren Elektrofahrzeuge sehr angesagt

2 Menschen stehen im Ausstellungsraum vor dem Detroit Electric von 1915
Der Detroit Electric von 1915 wurde von der Detroit Electric Car Company bis 1939 rund 45.000 gebaut und verkauft. Sein Innenraum erinnert noch an eine Postkutsche. Solche Elektroautos waren bis etwa 1918 viel beliebter als Verbrenner.

Man reibt sich die Augen beim Gang durch diese Ausstellung. „Alternativ mobil” zeigt, dass Elektroautos bis vor rund 100 Jahren viel beliebter waren als Fahrzeuge mit Verbrennermotoren. Organisiert hat die fulminante Ausstellung der Verein „Mobile Welten” aus Hannover. Nach dem aufhof und dem VW-Autohaus Gessner & Jacobi ist sie noch bis zum  7. Januar 2024 im Automuseum Melle zu sehen.

Plakat mit dem Hinweis zur Ausstellung "alternativ mobil" im Automuseum in Melle.
Noch bis zum 7. Januar ist die Ausstellung im Automuseum Melle zu sehen.

Man schlägt die Hände überm Kopf zusammen, weil man es kaum glauben kann: „Das erste Auto, das schneller als 100 Stundenkilometer fuhr, war ein Elektrofahrzeug. Das erste Auto, das über 200 Stundenkilometer fuhr, war ein dampfgetriebenes Fahrzeug.” Der Mann, der das alles weiß, heißt Gerhard Rickert und ist Beisitzer im Verein Automobile Welten. Der Ingenieur und ehemalige Leiter der Katalysatorfertigung und Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei verschiedenen Automobilfirmen, führte das Kuratorium des VDI Bezirksvereins Hannover am 18. Oktober sachkundig durch die Ausstellung „Alternativ mobil” im VW Autohaus Gessner & Jacobi.

„Erst die Lobbyarbeit der amerikanischen Mineralölkonzerne sorgte dafür, dass sich der Verbrennermotor durchsetzten konnte”, sagt ein anderer Mann vom Fach: Prof. Dr. Uwe Groth, Leiter des VDI-Kuratoriums.

Die VDI-Kuratoriumsmitglieder stehen vor dem silbernen VW XL-1E im Ausstellungsraum und fachsimpeln über Elektromobilität.
Fachsimpeln über Elektromobilität und Reichweiten: Die VDI-Kuratoriumsmitglieder sind ganz in ihrem Element.

Etwa einmal im Monat trifft sich das Gremium aus Firmen wie nass magnet, Faurecia Autositze, Wahl + Co., Micronex, ibk IngenieurConsult, Gustav Bertram, DEKRA Hannover und riera Elektrotechnik um sich über wichtige Zukunftsthemen des Mittelstands auszutauschen. Die Digitaliserung gehört ebenso dazu wie der zunehmende Fachkräftemangel – oder wie bei Gessner & Jacobi anschaulich vor Ort zu beobachten: Die Geschichte der alternativen Mobilität der Fahrzeugantriebe. Und da war eben am Anfang nicht der Verbrenner, sondern das Elektroauto. Solche Fahrzeuge waren bis etwa 1918 wesentlich beliebter als ihre stinkenden und lärmenden Pendants.

Vor allem in den Innenstädten waren sie dank ihrer einfachen Handhabung und Reichweiten bis zu 100 Kilometern begehrt. Um 1898 baute die Firma Siemens sogar Elektrobusse. Taxis mit elektrischem Antrieb waren bis zum 1. Weltkrieg in London das Fortbewegungsmittel der Wahl. Durchsetzen konnte sich die Mineralölindustrie schließlich auch dank ihres ausgedehnten Tankstellennetzes und der höheren Reichweite der Benziner und Diesel.

Heinrich Jacobi und Uwe Groth stehen neben dem VW XL-1E
Das ist er: Der VW XL-1E, basierend auf dem 1-Liter-Prototypen von 2002. Heinrich Jacobi (l.) und Uwe Groth sind fasziniert.

Ein echter Hingucker in der Ausstellung ist das 1-Liter-Auto von VW, der XL-1E. Nur 111 wurden davon gebaut. „Ich musste einen Probefahren und sollte ihn für 111.000 Euro kaufen”, erinnert sich Gessner & Jacobi-Chef Heinrich Jacobi an ein unmoralisches Angebot aus Wolfsburg. Er lehnte dankend ab – der Wagen war ihm schlichtweg zu teuer.

„Wenn die erste Feststoffbatterie mit 1000 Kilometer Laufleistung auf den Markt kommt, setzt sich die Elektromobilität in Deutschland durch”, ist sich Jacobi sicher. Sein Urgroßvater hatte den Betrieb in Linden mit Wagenbau begonnen und groß gemacht.

Umwelt, Nachhaltigkeit und Photovoltaik waren die Themen, mit denen sich die Kuratoriums-Mitglieder beschäftigten. „Jeder kann heute über Photovoltaik selbst Strom erzeugen und so seine Kosten reduzieren”, berichtete Mathias Otto, Geschäftsführer von riera Elektrotechnik. Immer wichtiger werde in seinem Bereich das Thema Transport-drohnen um Photovoltaikelemente auf Dächern zu platzieren. Darüber könne er Personal einsparen und so mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. „Keiner kauft mehr unsere Produkte, wenn diese immer teurer werden”, hat Otto erkannt. Genau das macht das VDI-Kuratorium aus: Wissenstransfer und fruchtbarer Gedankenaustausch unter Gleichgesinnten.

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