Nur der Weltraum ist die Grenze

Über den Technologietransferpreis der IHK Braunschweig

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Tyll Necker
Tyll Necker, Unternehmer und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, war 1998 Festredner bei der Verleihung des Technologietransferpreises.

Technologietransfer und Innovation haben in unserer Region eine lange Tradition. So kam es bereits 1838 zur Gründung des Braunschweiger Gewerbevereins unter Beteiligung zahlreicher Professoren des Collegium Carolinum, einer der Vorgängereinrichtungen der TU Braunschweig. Es handelte sich um eine Mischung aus „Technologietransfer- und Innovationszentrum“. So steht es in der Zeittafel unserer ehrwürdigen Alma Mater Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig.
Gemessen an der Vielzahl der in der Region ansässigen Forschungsinstitutionen ist der Einsatz von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Unternehmen mit großen Erwartungen verbunden, jedoch gefühlt stark verbesserungswürdig – und dies zeitlich konstant. In den siebziger und achtziger Jahren waren zudem Zurückhaltungen, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Bereichen, beobachtbar, was die Öffnung der Professorenschaft hin zur Praxis anbelangte.
Um hier etwas Aufmunterung zu schaffen, beschloss die IHK Braunschweig 1984 unter dem Vorsitz des damaligen Hauptgeschäftsführers Werner Vehling die jährliche Vergabe eines Technologietransferpreises für Wissenschaftler, die sich um den Einsatz ihrer Erkenntnisse in am Markt operierende Betriebswirtschaften besonders verdient gemacht haben.

Klasse statt Masse

Ca. 250 Einreichungen in 33 Jahren wurden für die Jury zur Begutachtung mit teilweise hitzigen, aber stets fairen Diskussionen (die längste Entscheidungssitzung dauerte länger als vier Stunden) aufbereitet und die herbstlichen Events – außerhalb der Ferienzeit und nicht zu nah an Weihnachten – organisiert. Nach dem Neujahrsempfang der IHK Braunschweig ist die Preisverleihung eindeutig die wichtigste Zusammenkunft von Wirtschaft und Wissenschaft in guter Gesellschaft – begleitet von zumeist jungen Musikern aus der Region und Top-Rednern aus der Welt von Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Atmosphäre schafft gute Laune für weiteres Wirken im Transferbereich mit sympathischen Preisträgern und äußerst interessanten Transferobjekten.

Vollbesetzter Kongresssaal der IHK Braunschweig
Konstante über drei Dekaden: der stets vollbesetzte Kongresssaal.

Potpourri an Disruptionen

Zum Beispiel als Teil der Kometenmission Rosetta: Philae ist die erste Raumsonde, die auf einem Kometen weich landete. Der Lander des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt war mit der Raumsonde Rosetta seit März 2004 zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko unterwegs und landete auf ihm im November 2014. Die tragende Konstruktion von Philae beruht auf Leichtbaustäben aus kohlenstofffaserverstärkten Verbundwerkstoffen (CFK), die zunächst in der Möbelindustrie zum Einsatz kamen. 1986 wurden die zu Stäben bidirektional gewickelten Kohlenstofffasern mit Schaumstoffkern für dreigliedrige Leuchten eingesetzt, die im Fünf-Meter-Halbkugelraum statisch stabil positioniert werden konnten.
Die auf „Tschuri“ befindlichen Leichtbaustäbe sind nun über 400 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Dagegen sind Abstände von 6 bis 200 Nanometer doch recht kurz. Messtechnisch können sie jedoch sicher mit Nanolinealen gemessen werden, nachdem sich Wissenschaftler des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie der TU Braunschweig damit beschäftigten und in Braunschweig die GATTAquant GmbH (leider abgewandert) gründeten. Mit der weltweit ersten kommerziellen DNA-Origami-Anwendung „Nanometerlineale“ wurden Werkzeuge für den Betrieb von superauflösenden Mikroskopen bereitgestellt und weltweit an wissenschaftliche Labore sowie Unternehmen vertrieben.

Leistung und Anerkennung

Viele der durch die IHK Ausgezeichneten bekamen weitere Auszeichnungen und Wissenschaftspreise, nachdem sie durch die IHK Braunschweig geehrt wurden. Einer der Ersten war der Wissenschaftler und Unternehmer (Sympatec GmbH) Dr. Stephan Röthele. Nach seiner Ehrung in Braunschweig erhielt er vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft den Technologie-Transfer-Preis 1986 für herausragende Leistungen aus den Hochschulen, 1992 die Arnold-Euken-Medaille der GVC Düsseldorf, 2010 das Bundesverdienstkreuz und 2017 den ersten Unternehmerpreis der Region 38. Von ihm stammt die beeindruckende Headline: „Man schuldet der Gesellschaft die Entfaltung seiner Talente“.
Dr. Peter Vörsmann wurde 1986 von der IHK Braunschweig geehrt und bekam 1988 den Technologie-Transfer-Preis des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Von 1985 bis 2000 führte er die Geschäfte der Aerodata GmbH, ab 2000 leitete er das Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Beide engagierten sich sehr viel später nach ihren Auszeichnungen als Mitglieder der Jury. Sie stehen sinnbildlich für die in den Jurysitzungen häufig geführte Diskussion: Verlust für die Wissenschaft oder Gewinn für die Wirtschaft? Zusätzlich stehen sie für die Form „Transfer in personam“, wie es der langjährige Leiter der Jury, Prof. Werner Gramm, bezeichnete – also nicht nur der Transfer von Objekten, sondern darüber hinaus auch als Subjekte mit Personentransfers von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Technologisch, ökonomisch und ökologisch beeindruckte der Transfer eines Verfahrens zum Recycling von Prozesswasser in der Textilveredelungsindustrie. Diese Branche gehört zu den Kandidaten mit höchstem produktionsspezifischen Wasserbedarf. In verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsschritten gelang es Prof. Dr. Christian Hempel vom Institut für Bioverfahrenstechnik (TU Braunschweig) mit seinem Team, über 90 Prozent des Prozesswassers innerhalb des Unternehmens Drews Meerane im geschlossenen Kreislauf zu behalten.
Die der Auszeichnung 2002 folgende IHK-Öffentlichkeitsarbeit rief beeindruckende internationale Reaktionen hervor. Zunächst interessierte sich ein Wissenschaftsjournalist aus New York für das Verfahren, aus Durban in Südafrika zeigte sich ein Maschinenbauunternehmen interessiert und aus Nikosia, Zypern, kamen Rückfragen zum Verfahren von einem Ingenieurbüro. Hier zeigte sich ganz besonders, dass die Entlohnung für erfolgreiche Transfers nicht nur das Preisgeld und eine tolle Veranstaltung beinhaltet.

Immer am Puls der Zeit

Waren es anfangs häufig Objekte aus den klassischen Ingenieurwissenschaften, schlossen sich später Transfervorgänge aus den systemischen IT-gestützten Bereichen an. In der jüngeren Vergangenheit dominierten Anwendungen aus den Lifesciences. Stichworte sind hier Antikörper als berechtigte Hoffnung für die Medizin, Wundheilungen mittels Einsatzes von gewebeverträglichen physikalischen Plasma, EKG-Geräte, die berührungslos und dreidimensional Herzströme in 30 Sekunden vermessen können.
Wo Forschung, Praxisorientierung und unternehmerischer Mut zusammenkommen, können wunderbare Produkte, Verfahren sowie neue Unternehmen mit attraktiven Arbeitsplätzen entstehen, die die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, Prosperität und nicht zuletzt mesoökonomische komparative Vorteile für die Region schaffen.
Nach drei Jahren coronabedingter Pause soll der Technologietransferpreis 2023 wieder vergeben werden. Mit neuem Konzept, welches just vom IHK-Präsidium abgesegnet wurde, wird zukünftig die Bewerbung auch per Video möglich sein. Die Preisübergabeveranstaltung wird in moderner Machart abwechselnd in den einzelnen IHK-zugehörigen Landkreisen und Städten stattfinden. Dazu werden gezielt technologietransferorientierte Start-ups angesprochen, sich zu bewerben. Ein Vorschlag wird nicht mehr nötig sein. Passend dazu wird der Preis um dem Slogan „Innovation der Zukunft“ ergänzt.

Guru Mario Schlömann
Mario Schlömann engagiert sich als Guru für die Ingenieurregion

Seien Sie gespannt auf das neue Format. Und wenn Sie einen innovativen Transfer durchgeführt haben in den vergangenen Jahren, dann rufen wir Sie hiermit herzlich auf:

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Die Gewinner des IHK Technologietransferpreises auf einen Blick

 

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