Leibniz-Fachhochschule – Kronjuwel der niedersächsischen Wirtschaft:
„Bei uns gibt es echte Projekte aus der Praxis“
Sie steht seit mehr als 100 Jahren in Hannover für eine fundierte kaufmännische Weiterbildung – die Leibniz-Akademie. Seit über 40 Jahren ist sie zudem in Kooperation mit der IHK Hannover für das duale Studium ein fester Bestandteil der niedersächsischen Wirtschaft. 2011 folgte ein weiterer Meilenstein: Die Leibniz-Fachhochschule (FH) wurde an der Expo Plaza gegründet. Dabei wurden praxisnahe Bachelor-Studiengänge mit wissenschaftlichem Anspruch und dem Fokus auf Wirtschaft und Management etabliert.
Das aktuelle Studienangebot der FH umfasst die dualen Studiengänge Business Administration und Business Economics (BWL) sowie Wirtschaftsinformatik und IT-Security. Die beiden BWL-Studiengänge können auch in Vollzeit studiert werden. Im berufsbegleitenden Bereich ergänzen der Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre und der Master-Studiengang Strategische Unternehmensführung das Portfolio. Beide wurden zum Studienjahr 2022/23 grundlegend überarbeitet. Zurzeit zählt die Fachhochschule gut 600 Studierende – fast alle im dualen Studium. Renommierte Unternehmen der niedersächsischen Wirtschaft wie die Continental AG, Rossmann oder die Nord/LB lassen ihre Mitarbeitenden an der Leibniz-Fachhochschule studieren.
Um mehr über das Kronjuwel der niedersächsischen Wirtschaft zu erfahren, sprach Ingenieurregion.de mit Holger Märtens, Professor für Wirtschaftsinformatik und Vizepräsident für Studium und Lehre an der Leibniz-Fachhochschule, sowie mit Robin Christmann, Professor für Volkswirtschaftslehre und Vizepräsident Forschung. Dritter im Bunde war Uwe Groth, Lehrbeauftragter und Honorarprofessor für Marketing und Entrepreneurship sowie Landesvorsitzender des VDI Niedersachsen.
Holger Märtens: Literaten sind es heute eher nicht mehr. Aber wir haben schon öfter mal hochkarätige Dozenten zu Gast.
Robin Christmann: Vor drei Jahren gab es hier beispielsweise eine internationale Tagung mit Justus Haucap, Chef des DICE – Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie – und früher Vorsitzender der Monopolkommission. Prof. Haucap ist einer der führenden Ökonomen in dem Bereich und trat als Keynote-Speaker auf.
Holger Märtens: Wir wollen unseren Unternehmenspartnern dabei helfen, nicht nur für das heute, sondern auch das morgen gerüstet zu sein. Mit den Fach- und Führungskräften, die wir helfen, hier heranzubilden.
Holger Märtens: Das duale Studium läuft immer über unsere Vertragspartner, die Unternehmen. Wir haben auch das berufsbegleitende Studium – einen BWL-Bachelor und einen Master Strategische Unternehmensführung. Das sind dann einige wenige Selbstzahler. Manche haben dazu mit ihrem Arbeitgeber ein Arrangement. Die Studiengebühren für Berufsbegleitende betragen bei uns aktuell 2.600 Euro pro Semester. Im Dualen Studium sind es je nach Studiengang um die 620 Euro pro Monat – also gut 21.000 Euro über die gesamte Studiendauer. Das duale Studium läuft in Blöcken ab – drei Monate an der Fachhochschule, – drei Monate im Unternehmen. Das ist natürlich anstrengend und anspruchsvoll für die Studierenden. Semesterferien im klassischen Sinne gibt es nicht – dafür aber Urlaubsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber.
Robin Christmann: Anwendungsorientiert bedeutet für uns, dass die untersuchten Fragestellungen etwa eine hohe Relevanz für Entscheidungen im Unternehmen oder für die Gesellschaft insgesamt haben. Dabei verwenden wir etablierte wissenschaftliche Methoden und prüfen, welche neue Erkenntnis sich gewinnen lässt. Unter welchen Bedingungen kann beispielsweise eine Unternehmensübernahme glücken? Oder was sagen empirische Daten zu Entscheidungsfehlern im Management? Wie sieht es aus in der medizinischen Diagnostik und Bildverarbeitung? Inwieweit kann KI hier unterstützen, um aus vielen Einzelaufnahmen eines Organs eine dreidimensionale Abbildung zu schaffen? Das ist immer ein kritischer Prozess zwischen Theorie und Beobachtung. Ohne theoretisches Fundament gibt es aber auch keine anwendungsorientierte Wissenschaft.
Holger Märtens: Unser Ziel ist es, unsere Studierenden wirklich zu Fach- und Führungskräften der nächsten Generation zu befähigen. Die bekommen bei uns vor allem in den dualen Studiengängen das Rüstzeug, um in den Unternehmen fachliche und Führungsaufgaben zu übernehmen. Eines unserer Alleinstellungsmerkmale ist das Thema Projekte. Projektmanagement wird gelehrt – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch angewendet. Andere Hochschulen machen Lehrbuchprojekte – bei uns gibt es echte Projekte aus der Praxis. Bei Professor Groth etwa wird nicht nur theoretisch im Fach Entrepreneurship fabuliert, wie Unternehmensgründung funktioniert, sondern da werden konkrete Ideen entwickelt und umgesetzt.
Uwe Groth: Ich nenne das Praxisreflexion. Theorie und Praxis versteht man eher, wenn man beides miteinander verknüpft. In manchen Fällen ist es besser, etwas Fassbares zu machen und erst hinterher theoretisch zu beschreiben. Bei manchen Studierenden ist es so, dass sie lieber von der Theorie in die Praxis kommen – bei anderen vom Anfassbaren zur Theorie. Beide Wege sind möglich und helfen den Studierenden weiter. Das ist das, was hier an der Leibniz FH stattfindet.
Robin Christmann: Diese Verknüpfung aus Theorie und Praxis funktioniert natürlich im dualen Modus besonders gut. Die Studierenden haben permanent den Wechsel und werden von uns dazu angeleitet, diese Verbindung auch herzustellen. Dabei kommt aber auch der akademische Anspruch nicht zu kurz.
Uwe Groth: Dieses Reflektieren und Nachvollziehen, das merke ich deutlich. Da liegen Welten zwischen denen, die auf eine Uni gehen – und den Studierenden im dualen Studium. Bei ihnen kommen in den Vorlesungen ganz andere Fragestellungen auf.
Holger Märtens: Die Firmen verfügen über sehr gut ausgebildete Absolventen, die sie in ihren Unternehmen vielseitig einsetzen können. Zum anderen haben die Firmen auch den Kontakt zu uns als Hochschule und Netzwerk – Stichwort Alumni.
Robin Christmann: Ein Unternehmen kann natürlich seinen Nachwuchskräften mit einem Hochschulstudium auch etwas bieten. Beispielsweise, wenn die Mitarbeitenden den Bachelor of Arts oder Science abschließen, statt einen klassischen Ausbildungsberuf zu erlernen. Junge Menschen wollen heute studieren und über einen akademischen Hintergrund verfügen. Diese Menschen würden die Unternehmen sonst an die klassischen Universitäten verlieren.
Holger Märtens: Diese Fachkräfte müssten sie sich sonst von den Universitäten holen und mühsam einarbeiten. Einen dualen Studienplatz zu finden geht übrigens ganz leicht: Einfach auf unserer Website die Seite mit den kooperierenden Unternehmen aufrufen. Unser Ampelsystem – grüne oder rote Punkte – gibt Hinweise darauf, ob das jeweilige Unternehmen noch Bewerbungen für den nächsten Studienjahrgang annimmt. Dazu gibt es eine nichtöffentliche Last-Minute-Liste mit Firmen, die uns noch freie Studienplätze gemeldet haben. Für weitere Infos kann man sich gerne an unsere Kundenbetreuung wenden.
Holger Märtens: Wir tragen letztlich selbst die Verantwortung für unsere Studieninhalte, da wir unsere Studiengänge staatlich akkreditieren lassen müssen. Daher dürfen wir die Unternehmen nicht unmittelbar über die Curricula bestimmen lassen. Aber wir haben natürlich das Ohr an unseren Kunden, um herauszufinden, was sie beispielsweise an Qualifikationen in den immer schnelllebigeren technischen Bereichen benötigen. Dazu gibt es einen Unternehmens-Arbeitskreis, über den wir uns einmal jährlich übergreifend austauschen. Und wir haben zusätzlich noch Fachkommissionen für die einzelnen Studiengänge, wo es stärker um Inhalte und Bedarfe in der Praxis geht. Wir schauen dann selber, wie wir das in unsere Curricula integrieren, um daraus ein rundes und akademischen Ansprüchen genügendes Ausbildungs-Paket zu schnüren.
Robin Christmann: Vorsitzende des Trägervereins Leibniz-Akademie ist die IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Die IHK ist auch das führende Mitglied im Trägerverein. Einige große Unternehmen Niedersachsens sind ebenfalls Mitglieder. Zu ihnen gehören unter anderem AOK, HDI, Nord/LB, Continental AG, Rossmann, TUI und die Landeshauptstadt Hannover. Sie tragen gemeinschaftlich seit 2011 die rechtlich unselbständige Leibniz-Fachhochschule.
Uwe Groth: Einen großen. Zum einen durch die Zusammenarbeit mit Ingenieuren in den Unternehmen. Und zum anderen stellen einige der Studiengänge eine Erweiterung für das Ingenieurwesen dar. Der Bachelor oder Master in Economics – das ist inzwischen Thema Nr. 1 für Ingenieure. Informatik ist natürlich auch ein klassisches MINT-Fach.
Holger Märtens: Das macht ja schon fast die Hälfte des Studiengangs-Portfolio der Leibniz-Fachhochschule aus. Ansonsten haben wir in den BWL-Studiengängen auch viele Firmen aus dem produzierenden Gewerbe, die ingenieurwissenschaftliche Unternehmensbestandteile haben und dennoch eine betriebswirtschaftliche Ausbildung für ihre Mitarbeitenden benötigen.
Uwe Groth: Die Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen ist die große Stärke der Leibniz-Fachhochschule, die viele andere Hochschulen oder Universitäten nicht bieten können. Das wird auch immer interessanter für Schülerinnen und Schüler, die vor der Frage stehen, wo sie später die besten Erfolgsaussichten in Unternehmen haben.
Robin Christmann: Beim Tag der offenen Tür oder beim November der Wissenschaft kann man gut in unsere Vorlesungen hineinschnuppern. Zum Leibniz-Jubiläum haben wir auch mehrere Probevorlesungen gehalten, die für Schüler und Eltern zugänglich waren. Das sind Schnuppervorlesungen, die thematisch dafür angeboten werden. Auch im Alltag kümmern wir uns darum, eine Vorlesung zu finden, die für Interessenten passt. Auch als Gasthörer oder Gasthörerin ist man bei uns immer willkommen.