Horsepower Hannover will auf die vorderen Plätze

„Wir sind hier alle gleich verrückt“ (v.l.): Sebastian Boldt und Felix Hartmann.
„Wir sind hier alle gleich verrückt“

Alles begann 1981 in den USA: Seinerzeit gründete die Society of Automotive Engineers (SAE) die Formula SAE. Rund 120 Studententeams aus aller Welt nahmen daran teil, indem sie einsitzige Formelrennwagen in Teamarbeit konstruierten und herstellten. Die Formula Student entstand 1998 in England – initiiert von der SAE und der IMechE. Jährlich reisen etwa 100 Teams dazu an. In Europa gibt es zudem Events in Österreich, Deutschland, der Schweiz, in Tschechien, Ungarn, Italien und Spanien, heißt es unter der Überschrift „Formula Student Germany“ auf der Wissensplattform Wikipedia.

2006 nahm die Formula Student Germany (FSG) als jährlicher internationaler Konstruktionswettbewerb für Studierende unter Schirmherrschaft des Vereins Deutscher Ingenieure Formen an. Die Regeln ähneln denen der Formula SAE. Wettbewerbs-Anspruch ist die Ergänzung des Ingenieurstudiums um Erfahrung und Fertigung im Automobilbau inklusiver wirtschaftlicher Aspekte. Dazu gilt es für einen fiktiven Auftraggeber einen Rennwagen-Prototyp herzustellen. Eine Jury aus Experten der Automobil-, Motorsport- und Zulieferindustrie ermittelt die Gewinner. Neben den Fahreigenschaften des Autos bewertet sie bei jedem Team die Konstruktion sowie den Business- und Kostenplan jedes Teams, heißt es weiter zur Formula Student Germany auf Wikipedia. Auch Teamwork, Zeit- und Projektmanagement fließen in die Bewertung ein.

Ohne Sponsoren läuft nicht bei der Formula Student.
Ohne Sponsoren läuft nicht bei der Formula Student.

„Der Vorteil unseres Premiumsponsors VW besteht darin, dass er über den Wettbewerb Kontakt zu jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren bekommt und diese für Praktika oder Werkstudenten-Tätigkeiten anwerben kann“, berichtet Felix Hartmann vom Team Horsepower Hannover. Er teilt sich unter der Schirmherrschaft des Instituts für Werkstoffkunde an der Leibniz Universität Hannover mit Jonah Vanini die Teamleitung. „Ich kümmere mich um die elektrische Seite des Projekts das Niederspannungsnetz mit dem Akku und den Powertrain-Antriebsstrang. Jedes Rad wird über einen eigenen Motor mit Planetengetriebe bewegt. Jonah ist zuständig für Aerodynamik, Chassis und Fahrwerk des Fahrzeugs“, erläutert Felix. 50 Teammitglieder gibt es, 20 Prozent von ihnen sind Frauen.
„Die JeT-Challenge Teilnehmer von heute sind die Horsepower Hannover-Teilnehmer von morgen“, sagt Professor Dr. Uwe Groth, Ideengeber von JeT – Jugend entdeckt Technik. Er hat den Schüler-Wettbewerb JeT-Challenge um umgebaute kleine Elektroflitzer mit entwickelt, bei dem ebenfalls Marketing- und Projektmanagement bewertet werden. Der Vorsitzende des VDI Landesverbands Niedersachsen ist begeistert von den Aktivitäten des Teams Horsepower Hannover.

„Wir machen das alles neben dem Studium und arbeiten hier eng mit den Fakultäten für Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik zusammen“, sagt Sebastian Boldt. Er ist bei Horsepower Hannover Bereichsleiter Elektrik und zuständig für das Armaturenbrett (neudeutsch Dashboard) beim electricHorse 23. So heißt das jüngste Pferd im Stall von Horsepower Hannover für 2023. Rund zwei Millionen Euro stecken an Arbeitsleistung bei einem angenommenen Stundensatz von 100 Euro in dem Elektroflitzer, schätzt Felix. Hinzu kommen Materialkosten im sechsstelligen Bereich. Ohne die Sponsoren VW und die Firmen Carstengerdes und Invent beim Modell- und Formbau für den Monocoque-Fahrzeugrahmen wäre das alles nicht möglich.

Altfahrzeuge aus den Vorjahren
Die Altfahrzeuge aus den Vorjahren sind wichtig als Ersatzteillager.

Gerade das Monocoque ist in der Herstellung aufwändig. Von der Festigkeit ist es vergleichbar mit einem Stahlrohrrahmen, jedoch wesentlich leichter. Hergestellt wird es aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen. Dazu werden Kohlefasermatten übereinandergelegt und mit einer Kunstharzmischung verbunden. Zwischen mehreren mit Harz durchtränkten Schichten befindet sich Aluminiumwabe. „Die Wabe sorgt letztlich für die Steifigkeit des Fahrzeugs“, weiß Felix. Von 0 auf 100 km/h geht es dann auf gerade einmal 75 Metern in knapp 2,3 Sekunden. Die Leistung ist durch den Wettbewerb auf 80 kW begrenzt, was zu einer maximalen Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde führt. Ein Team aus Stuttgart hält den Weltrekord mit 1,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Beschleunigung ist aber längst nicht alles bei der Formula Student. Es gilt unter anderem einen 22 Kilometer Parcours pannenfrei zu bestehen und ein Skid Pad – eine Acht – zu fahren. „Da müssen wir zeigen, wie eng und schnell wir mit dem electricHorse 23 um die Kurven kommen“, sagt Felix. Die neue Saison begann in diesem September. Bis zum ersten Rennen im holländischen Assen im Juni 2023 bleibt also noch etwas mehr als ein halbes Jahr.

„Wir sind hier alle gleich verrückt. Dafür haben wir eine schöne Gemeinschaft und messen uns auf den weltweiten Events mit internationalen Teams“, betont Sebastian. Bei drei Events will Horsepower Hannover 2023 auf die vorderen Ränge fahren: In Holland, Spanien und Deutschland – hier soll es auf den Hockenheimring gehen.

Safety first heißt die Devise bei allen Rennen. So werden beim Bruch der Radbaugruppe die Motoren nicht mehr angesteuert. Drei Notausschalter geben Fahrer oder Fahrerin Gewissheit, das electricHorse jederzeit im Griff zu haben. Beste Teilnahme weltweit für die Hannoveraner war 2013 Platz 13 in der Wertungsliste. Im selben Jahr fuhr man in Deutschland auf den zweiten Platz. „Das war eine gute Saison“, sagt Felix Hartmann.

Eine Hürde gilt es noch vor der Teilnahme an den Rennen zu nehmen: Ende Januar müssen bei einem Quiz knifflige Fragen zum Regelwerk und zum technischen Grundverständnis korrekt beantwortet werden. Daumen drücken hilft.

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