Digitale Galerie

Ingo Johannsen & Björn Kendelbacher

Designer und Dozenten an der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg

Interview mit Ingo und Björn

Ingo Johannsen:

Unseren Studiengang Material und Technisches Design würde ich immer noch als jungen Studiengang bezeichnen. Die ersten Studierenden sind gerade bei ihrer Abschlussarbeit angelangt. Das ist auch spannend für uns. Die Idee dahinter ist: naturwissenschaftliche Grundlagen, Ingenieur- und Materialwissenschaften zu verbinden mit Design, also dem Entwerfen von Produkten.

Konkret bedeutet das für unsere Studierenden eine interdisziplinäre Ausbildung, die bei den Grundlagen der Materialwissenschaft anfängt und auch den Entwurf erster Prototypen umfasst. Viele Aspekte der Produktgestaltung werden ebenfalls in ihren Grundlagen behandelt und können je nach Vorliebe in Forschungsarbeiten, Semesterprojekten und Abschlussarbeiten professionalisiert werden.

 

Björn Kendelbacher:

Ich persönlich bin gerade damit beschäftigt, ein Atelier als Werkraum auszustatten. Das ist unser zentraler Ort für gestalterisches Arbeiten, also für den praktischen Entwurfsprozess, aber auch für die Kommunikation unter den Studierenden. Außerdem ist der Werkraum unser Ausstellungsfenster nach außen in die in die Stadt; also in die Hochschule oder die Stadt Wolfsburg. Hier können die Studierenden, unter unserer Anleitung, an den Projekten erarbeiten und Hausarbeiten durchführen.

Neben üblichen Handwerkzeugen wie Cuttermesser, Schneidelineale, Klebstoff, Bohrer oder Sägen werden wir hier ab dem nächsten Semester auch mit modernster Technologie arbeiten. Derzeit installiere ich einen computergestützten Lasercutter. Das ist eine Maschine, mit der am Computer erstellte Vorlagen aus unterschiedlichen Materialien ausgeschnitten werden können.

Diese Maschine wird eine unserer Kerntechnologien. Präzise Fertigungstechnik unterstützt hier den manuellen Modellbau.  

 

Ingo Johannsen:

Den Studiengang Material und Technisches Design haben wir vor gut drei Jahren ins Leben gerufen. Als Professor bin ich zusammen mit unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter Björn für die gestalterischen Fächer des Designs zuständig. Uns geht es darum, das Design gut mit den technischen Inhalten des Lehrplanes zu vernetzen, die von den anderen Professor*innen behandelt werden, also zum Beispiel mit Themen wie Leichtbaustrategien oder Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung. Die naturwissenschaftlichen Fächer machen einen Großteil des Lehrangebotes aus und das Design ist ein integraler Bestandteil. Dabei soll die Entwicklung von Objekten, Produkten und Systemen im besten Falle in einer optimalen Gestaltung von Lebenswelten für eine bessere Zukunft dienen. Wegen der starken technisch-wissenschaftlichen Ausprägung mündet der Abschluss in einen Bachelor of Science. Das Besondere daran ist, dass abschließend ein freies Arbeiten als Ingenieur*in am Arbeitsmarkt möglich ist.

Ich glaube, von Design kann man sprechen, wenn ein Entwurf einen bestimmten Zeitgeist trifft. Unter Zeitgeist verstehe ich die Essenz der Wünsche, Ängste und Bedürfnisse einer bestimmten Gruppe von Menschen zu einer gewissen Zeit. Das kann ein kleiner Kreis oder eine große Gemeinschaft betreffen. Gut wird dieses Design dann, wenn diese Bedürfnisse erfüllt werden, ohne die Bedürfnisse anderer einzuschränken.

Ich glaube, dass wir als Gestalter*innen mit unserem Handeln einen großen Einfluss auf unsere Umwelt haben. Sowohl auf die Natur als auch auf unser tägliches Zusammenleben. Dementsprechend müssen wir uns über aktuelle Themen informieren und eine Haltung ausbilden. Gute Quellen und ein lebhafter Diskurs sind dafür unabdingbar und ein wesentlicher Teil unseres Ausbildungskonzepts.

Ingo Johannsen:

In unseren aktuellen Forschungsvorhaben beschäftigen wir uns mit Tiny Living, also Konzepten für nachhaltige Herstellung und Nutzung von Tiny Häusern sowie der Verbesserung von Kleinstfahrzeugen für den innerstädtischen Verkehr.

 

Björn Kendelbacher:

Auf jeden Fall glaube ich, dass Design in viel mehr Bereichen gebraucht wird. Die Entwicklung von neuen Konzepten und vor allem eine gute Kommunikation gehören zu den Kernkompetenzen von Designer*innen. Das sind Fähigkeiten, die überall wichtig sind.

 

Ingo Johannsen:

Ein Trend ist der Übergang von Konsument*innen zu sogenannten „Prosumern“. Das bedeutet, dass wir nicht nur industrielle Massenprodukte verwenden, sondern auch individuelle Objekte für den eigenen persönlichen Gebrauch selbst herstellen. Stichworte hierbei sind: Kreatives Tüfteln (Maker-Szene), Selbermachen (Do-it-yourself), Reparieren (Repair), Geteilte Nutzung und Tauschen (Sharing) und öffentliche Werkstätten und Baupläne für alle (Open Source)…jeweils mit eigenen ästhetischen und ethischen Grundsätzen. Das sind auch Themen für uns und wir haben uns gut vernetzt in der Region, zum Beispiel mit dem Protohaus Braunschweig

Ingo Johannsen:

Der Anteil an Frontalunterricht und Vorlesungen ist im Design sehr gering, der individuelle Praxisanteil hoch. Die Studierenden zeigen ihre Stärken durch ihre gestalterischen Projektarbeiten. Wir präsentieren hier die letzten Hausarbeiten der Studierenden der Fahrzeugtechnik. Die Aufgabe besteht darin, sich mit einem/einer bekannten Designer*in aus der Geschichte oder einem/einer zeitgenössischen Designer*in zu beschäftigen. Auf dieser Basis soll ein einfacher Gebrauchsgegenstand, in diesem Falle ein Zahnputzbecher, gedanklich und konkret in der Haltung des Designers/der Designerin entworfen werden. Das Spannende daran ist sicherlich, sich in die Rolle der Designer*innen hineinzuversetzen und gleichzeitig durch den Entwurf des Objektes auch die eigene Sicht der Dinge einzubringen.

 

Björn Kendelbacher:

Wir betreuen die Studierenden im Lehrfach Fahrzeugtechnik nur für einen Kurs. Mir persönlich war es wichtig, zu zeigen, dass herausragendes Design viel mehr ist als nur „schöne“ Dekoration. Die Auseinandersetzung mit den Personen hinter einem Produkt zeigt, welche Arbeitsweise, welche Haltung oder welche Situation notwendig war, um etwas Besonderes zu gestalten. Ich glaube, dass dieser Kurs genau das vermittelt hat.

 

Ingo Johannsen:

Am Ende einer Semesterarbeit steht für uns immer die öffentliche Ausstellung der Entwürfe und Prototypen. Darum gibt es bei uns im Foyer oder in den Werkräumen jedes Jahr mindestens eine Ausstellung zu sehen. Manchmal erstellen die Studierenden auch Animationen oder Nutzerprogramme für Smartphones (Apps). Wegen Corona fällt die diesjährige Ausstellung nun ins Wasser. Wir freuen uns also über die virtuelle Ausstellung hier bei euch – herzlichen Dank!