Heute vor 100 Jahren:
Erstes weibliches VDI Mitglied und Autopionierin Ilse ter Meer fuhr Kommissbrot
Gleich zwei spannende Jubiläen haben in diesem Jahr einen Bezug zu Hannover, die auch noch miteinander zusammenhängen: Vor 100 Jahren wurde der erste Hanomag-Kommissbrot in Hannover gebaut. Der Verein Mobile Welten macht dazu zurzeit eine lehrreiche Ausstellung mit rund zehn verschiedenen Kommissbrot-Exponaten in seinem Museum auf dem Gelände des Hannoverschen Straßenbahnmuseums in Sehnde-Wehmingen. Sie ist dort noch bis zum 30. September immer sonntags von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Und genau 100 Jahre ist es her, dass mit Ilse Knott-ter Meer die erste Frau Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure wurde. Sie war nämlich eine der ersten deutschen Ingenieurinnen mit dem akademischen Grad Dipl.-Ing. Da ihr Vater Gustav ter-Meer seinerzeit Direktor bei der Hanomag war, hatte sie auch die Möglichkeit, als Testfahrerin einen Kommissbrot zu fahren. Überhaupt war Ilse ter Meer, so ihr Mädchenname, bei vielen Anlässen die erste Frau. Am Realgymnasium für Knaben machte sie in Hannover Abitur. Anschließend studierte sie von 1919 bis 1922 als eine der ersten Studentinnen Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Hannover. Von 1922 bis 1924 studierte sie an der Technischen Hochschule in München, wo sie auch ihren Abschluss machte. 1960 war ter Meer eine von sechs Gründerinnen des VDI-Ausschusses „Frauen im Ingenieurberuf“. Mit dem Kommissbrot fuhr die Autoenthusiastin sogar waghalsige Rennen. „Als Verein Mobile Welten wollen wir auf den damaligen Fortschritt – auch in Bezug auf Frauen – aufmerksam machen“, betont Prof. Dr. Uwe Groth, zweiter Vorsitzender des Vereins, und VDI-Bezirksvorsitzender Hannover, den doppelten Sinn hinter der Ausstellung. Posthum in Hannover geehrt wurde die Ingenieurin durch den 1998 angelegten Ilse-ter-Meer-Wegs im Ahrbergviertel – und durch das nach ihr benannte Haus für Studierende der Leibniz Universität Hannover auf dem Campus Maschinenbau Garbsen.
Der Hanomag Kommissbrot zählte zu den ersten in Serie produzierten Kleinwagen Deutschlands – und steht damit für ein Stück Industriegeschichte aus Hannover-Linden. Der kleine Zweisitzer hatte Speichenräder, eine Holzkarosserie und einen Zehn-PS-Heckmotor, der das Gefährt bis zu 60 Stundenkilometer schnell machte. Eine Rennversion, des Rechtslenkers, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wird, brachte es auf 90 Stundenkilometer.
Vor genau 100 Jahren ging das Kommissbrot in Serienproduktion. Die Technik war schlicht, aber robust. Der Wagen wurde als das erste deutsche Automobil für weniger als 2000 Reichsmark beworben – sozusagen als Volkswagen aus Hannover vor dem späteren Volkswagen aus Wolfsburg. „Zusammen mit dem Opel Laubfrosch aus Rüsselsheim und dem BMW Dixi aus Eisenach war der Hanomag ein Pionier der modernen Zeit“, weiß Uwe Groth. Bis 1928 baute die Hanomag 15.775 Exemplare des Kommissbrots. Abgelöst wurde es vom Nachfolgemodell 3/16 mit Frontantrieb. „Die damaligen Ingenieure wussten schon viel mehr als wir heute glauben. Vieles im Automobilbereich fußt heute auf der Technik des Kommissbrots. Die Zukunft beginnt in der Vergangenheit – auch wenn viele Werkstoffe und Verfahren den damaligen Ingenieuren noch nicht zur Verfügung standen“, sagt der VDI-Bezirksvorsitzende.
Die Ausstellung beim Verein Mobile Welten kommt bei den Besuchern so gut an, dass schon zwei Kommissbrot verkauft wurden. „Dabei war das gar nicht unsere Absicht“, wundert sich Groth. Ein Indiz dafür, wie gut die Ausstellung bei den Betrachtern ankommt.





